Montag, 21. März 2011

Gedankentext. Ein Versuch.


 Begonnen hat alles mit einem Mann, der sich zielstrebig Richtung Tafel bewegt. Er spürt die Blicke, auf die er nicht reagiert, die sich allesamt fragen: Ist ER das? Der Professor, so genannt, mit dem ich dieses Semester hier verbringen darf, oder muss, je nach Auffassung. ER stellt sich als Tutoriumsleiter heraus, doch noch während er spricht, betritt noch jemand das Zimmer und die Erleichterung der Studierenden über sein Eintreffen ist spürbar, auch bei mir. Seine Körpersprache befremdet mich zunächst und ich kann ihn und es nicht einordnen. Ein bisschen zynisch spürt es sich an, ein bisschen autoritär, vielleicht auch herablassend. Als er mich dann erlösend aus meinen Gedanken darüber, was wohl kommt, reißt, indem er das Kommende einfach beginnt, haben zunächst einmal sogar die Gedanken das Denken eingestellt. Noch nie zuvor habe ich einen vergleichbaren Menschen getroffen. Verständlich, bei der Zahl an Menschen, die ich schon getroffen habe und noch treffen werde. Auch verständlich, weil ich mir keine Menschen vorstellen kann, die ich noch nicht getroffen habe. Und was er sagt ist befremdlich, aber je mehr ich mich in seinen Worten verliere, finde ich mich auch darin wieder. Ein Gefühl, verstanden zu werden und respektiert. Aber nicht wie von den vorigen Professoren, sondern mit dem Anspruch des eigenen Denkens und Produzierens und der Priorität des Wortes, des Textes, vor der Wissenschaft. Auch wenn es nach gesellschaftlicher Konvention peinlich ist, scheinbar ohne erkennbaren Grund für Außenstehende, die Mundwinkel nach oben zu ziehen, so kommt das doch von innen und ich kann nichts dagegen tun. In mir macht sich die Vorfreude auf das Schreiben breit, auf den Druck, schreiben zu müssen. Denn das ist schon eine Weile her und während ich vorher dachte, Texte müssten von selber fließen, wären situativ gebunden, dürften nicht korrigiert werden und entsprängen genau in dieser Unvollkommenheit dem kreativen Möchtegerngeist, hat SIE mich dann eines Besseren belehrt. Die erzwungen entstandenen und wieder und wieder korrigierten Texte in dieser Schreibwerkstatt waren die dichtesten, produktivsten und  trotzdem persönlichsten. Wenn ich nicht muss, schreibe ich viel zu wenig, musste ich leider erkennen und annehmen. Also grinse ich angesichts des wöchentlichen Textdrucks, obwohl ich mir bewusst bin, dass es wie mit allem im Leben ist und sein wird: Viel Mist und ein paar Genialitäten, um nur etwas zu übertreiben. Denn mein Textmist überlagert noch in seiner Fülle die kleinen genialen Strohhalme auf dem Textmisthaufen. Und höchstwahrscheinlich sind sie auch nicht einmal geniale Strohhalme, aber ohne dass jemand, dass der Möchtegerngeist und die Wäresogernseele, denen sie entsprangen, an ihre Genialität glaubt, wie sollen es dann andere? Und plötzlich bin ich aus meinen Tagträumen wieder in der temporären Realitätsillusion angekommen und meine Gedanken werden unterstrichen von dem Aufruf, kritisch zu sein. Und irgendwie auch aufmüpfig. Diese Autoritätskriecherei aufzugeben zugunsten des Textes, der eigenen Meinungen und Produktionen. Und schon wieder zieht es an meinen Mundwinkeln, es, das ich primitiv mit Freude bezeichnen würde, und kann gar nicht mehr aufhören zu ziehen, als ich die Ausführungen über Qualitätszeitungen höre. Diesmal zieht das Publizistinnenherz, die Literatinnenfreude hilft mit. Und dieses Ziehen in mir will noch lange nicht aufhören. Auch nicht, als ich die Uni schon längst verlasen habe, im Bus sitze, ganz vielen Mitmenschen von den Eindrücken erzählt habe und endlich auf der Matratze, dem Lieblingsort der schlafliebenden Vieldenker, um eine Denkpause zu erlangen, angekommen bin. Ein bisschen bin ich am nächsten Tag fast verwundert, keinen Muskelkater zu haben, vom vielen innerlichen Ziehen.

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