Donnerstag, 31. März 2011

rosarote seifenblasen


 Ich bin nicht lustig. Und ich will auch nicht lustig sein. Nicht in dem, was ich schreibe. Und außerdem will ich nicht immer ich schreiben. Sagen wir einfach sie. Sie ist die Person, um die es gehen soll.
Sie erinnert sich also, dass sie die Donnerstag Nachmittag Vorlesung waghalsiger Weise einfach ausgelassen hat. Mit ihrem Gewissen war das gut vereinbar, weil sie sich nach 2,5 Schmerztabletten jetzt doch nicht nur körperlich sondern auch mental etwas beeinträchtigt fühlte. Trotz Beeinträchtigung, trotz Schmerzen musste es noch Bewegung sein. Die Stimmung stieg aber, aufgrund der ebenfalls in Bewegung gebrachten Endorphine, und kühn wie sie war, tippte sie wenig später in ein kleines Chatfenster einer Person, der sie doch nie wieder schreiben wollte. Sie wollte, dass die Person IHR schrieb, was einen gravierenden Unterschied nicht nur für sie, sondern für diese Menschengruppe im Allgemeinen bedeutet. Also sitzt sie da, wirft ihre Vorsätze mit den Schmerztablettenverpackungsresten in den Müll und verliert sich ganz in unbeabsichtigt getippten Wörtern, Sätzen, Scherzen und Neckereien. Was sich liebt, das neckt sich, trifft hier keineswegs zu, behauptet sie. Und doch kommt es, dass sie, benebelt, gar betäubt von den Pharmazeutika, keineswegs von rosaroten Seifenblasen, die ihren Hohlraum auszufüllen drohen, im Unterbewussten die doch so wichtige Germanistik Übung nach hinten verschiebt.
Nachdem sie sich endlich von der blinkenden, laut surrenden Kontaktmaschine getrennt hat, getrennt wurde, steht diese besagte sie also ganz pünktlich um 18.57 an der Bushaltestelle. Da quetscht sich durch eine kleine Ritze zwischen zwei Seifenblasen, möglicherweise war eine schon wieder zerplatzt, das Unter-, das Pflichtbewusste. Es zwang sie, einen kleinen Kontrollblick in den für das chaotische und dauerhaft überlastete Studentenhirn eigens angelegten, Notfall, Erste Hilfe sowie Überlebenstraining geprüften Timetable eines namhaften Radiosenders und Festival - Veranstalters zu werfen.
Und ihre eigenen krakeligen Buchstaben und Ziffern und Striche und Farbigkeiten führten ihr ihre Prioritäten, die aus dem Unterbewusstsein ausgebrochen waren, so klar vor Augen, dass sie sie völlig unklar mit Dummheit abtat. So machte sie das immer. Das ist für alle Mitmenschen verständlich, und bedarf keiner tiefgreifenden Erklärungen ihrer emotionalen Berg und Tal Landschaft, die die meisten Flachländer nicht leiden und auch nicht hören können.
Nachdem sie sich also 30 Minuten vollkommen unnötig mit ihrer Dummheit beschäftigt hatte, derweil von den netten Buschauffeuren und U-Bahn Lenkern oder wie sie auch immer heißen, ganz ohne ihr geistiges oder körperliches Zutun direkt vor die Universität Wien gekarrt wurde, auf rätselhafte Weise sogar bis vor den Übungsraum 4 gelangte, schaltete sich das Berg und Tal Hirn wieder ein und ließ das Herz in die Hose sacken. 30 Sekunden hatte sie circa, um sich einen Schlachtplan für ein unauffälliges, korrektes und ja nicht autoritätskriechendes Auftreten zu überlegen, als sie sich schon in Reihe 1 auf ihren Sessel fallen ließ und die Jacke irgendjemand schon für sie abgelegt hatte.
Endlich alle Gedanken vertrieben und ganz  in diesem Raum angekommen bemerkte sie, dass diese Stille nicht von ihr, sonder von allen anderen auszugehen schien. Geschlagene 65 Minuten lang sprach fast niemand außer er, der Professor, trotz allem Widerstand gegen diese, seine Rolle: die Autorität. Und am Ende steht sie vor der Universität, weiß wieder nicht wie sie dorthin gekommen ist, hält zwei Zettel mit dem Vermerk „bitte zumailen“, der laut der ersten Einheit höchsten Auszeichnung, in der Hand, und fühlt sich alles andere als ausgezeichnet. Jetzt ist sie noch verwirrter und wünscht sich wieder eine angenehme Betäubung, einen Schleier, einen rosaroten Nebel herbei. Und jemanden auf der anderen Seite einer blinkenden, laut surrenden Kontaktmaschine, der Wörter, Sätze, Scherze und Neckereien in diese hineintippt, um dem rosaroten Seifenblasennebel in ihrem Hohlraum wieder eine angenehm betäubende Dichte zu geben …

Nach einigen gezielten Stichen mit einem großen, langen, scharfen Messer bleibt keine von den rosaroten Seifenblasen übrig. Die Sicht ist schmerzhaft klar geworden.

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