Mittwoch, 25. Mai 2011

I have a dream ... [oder DIE Rede ;) ]


I have a dream that one day this nation will rise up, and live out the true meaning of its creed: ‘We hold these truths to be self-evident: that all men are created equal.

Ich bin nicht Martin Luther King, wir haben nicht den 28. August 1963, sind nicht in Washington und ich spreche nicht zu euch als Demonstranten. Wir sind nur Studierende  in irgendeinem Raum irgendeiner Universität irgendeiner Stadt irgendeines Landes irgendwo auf der Welt.
Trotzdem bitte ich euch, mir zuzuhören, denn es könnte vielleicht meine einzige Gelegenheit jemals sein, um zu sagen, was mir auf der Seele brennt.
Ich will mich nicht länger hinter meinen Texten verstecken, in denen es nur um mich, mein Leben und meine Probleme geht, zu gehen scheint. Oft habe ich die Befürchtung, dass es das ist, was wir, was viele Menschen tun, sich hinter Texten oder irgendetwas anderem zu verstecken, vor der Realität.
Was mich antreibt ist die Furcht, dass es Menschen, die mir wichtig sind, irgendwann einmal egal sein könnte, was mit dem Rest der Welt passiert, dass sie sich auch ducken, verstecken und verschließen vor der Wahrheit.
Wir wurden alleine in diese Welt geboren, wir werden auch alleine sterben, aber die Zeit dazwischen sind wir alle Teil einer riesigen Gemeinschaft, der Bewohner des Planeten Erde. Insofern tragen wir nicht nur Verantwortung für unser Leben, sondern auch für die Lebenswelt, die uns umgibt, und haben uns nach bestem Wissen und Gewissen so zu verhalten, dass nach uns noch eine lebenswerte Welt zurückbleibt. Vielleicht schaffen wir es sogar, einen kleinen Teil davon ein bisschen besser zu machen.
Ich bin keine Weltverbesserin, will kein Gutmensch sein, aber ich versuche jeden Tag ein so gutes Leben zu leben, dass ich sterben könnte ohne verzweifeln zu müssen daran, was ich niemals getan habe. Zumindest den Versuch will ich unternehmen, mich der Realität zu stellen, sie auszuziehen und bloßzustellen um sie von oben bis unten schutzlos zu betrachten.
Ich will niemals bereuen müssen, nicht menschlich gewesen zu sein.
Leider gibt es im Deutschen kein Wort wie das englische „human“, denn genau das meine ich, den physischen Tatbestand unserer biologischen Bezeichnung homo sapiens, der einsichtsfähige, weise Mensch. Wer uns diesen Namen gegeben hat, hat große Hoffnungen in unsere Spezies gesetzt. Als diese Kreatur haben wir genug Hirn und Seele mit auf den Weg bekommen, um über uns selbst nachzudenken, was nur sehr wenige andere Lebewesen können, vielleicht auch niemand. Das ist es, was ich also tun kann, um nichts bereuen zu müssen, über das Leben und mich selbst, mich Mensch und die Milliarden anderen Menschen, nachzudenken. So komme ich zu der Überzeugung, dass allein unser Menschsein darüber entscheidet, wie wir uns zu unseren Mitmenschen zu verhalten haben.
Ich bin gläubig, aber ich glaube nicht daran, was in meinem Religionsbekenntnis steht. Jede Art von religiösem Fanatismus halte ich für töricht, naiv, feig und letztendlich tödlich. Religion ermöglicht es uns, unsere Sterblichkeit nicht anzunehmen. Sie gibt uns Feindbilder vor und bekräftigt uns in der Meinung, die Menschen seien so wertvoll, dass es unmöglich sei, sie sterben zu lassen, ohne dass etwas von ihnen übrig bleibt. Noch, denkt ihr, weiß ich nicht wovon ich spreche, denn mein Leben wird hoffentlich dreimal so lange dauern, wie ich im Moment alt bin. Aber wieso sollte ich dann nicht einfach gehen, ohne dass es für die Welt von Bedeutung ist? Es zählt nur, dass ich existiert habe, was ich in meiner kurzen Lebenszeit gemacht habe und ob ich meine Chance genutzt habe.
Ich will niemals bereuen müssen, meine Existenz zu wichtig genommen zu haben.
Ich hoffe, dass eine Zeit kommen wird, in der jeder begreift, dass es nichts nützt, auf die Erlösung im Jenseits zu hoffen, weil es im Hier und Jetzt Probleme zu lösen gibt. Vor allem wir, die westliche Welt, die großartigen Weißen, wie wir uns so gerne nennen lassen, haben in ihrem Überfluss die Aufgabe, ihre überflüssige Zeit, nachdem ihre anderen Bedürfnisse sich fast wie von selbst erfüllen , damit zu verbringen, Menschlichkeit zu verbreiten.
Vor allem in den Religionen, in politischen Parteien und Verbänden sind immer Stimmen zu hören, die Menschen verurteilen, die doch genauso wie sie frei und gleich und ohne deren Schuld und Zutun in diese Welt, unsere Erde geboren wurden. Menschen wie Herr Gehring, der Pabst, Bischof Schwarz oder auch die Oberhäupter und Anhänger anderer Glaubensgemeinschaften sprechen sich das Recht von Gott dazu beauftragt zu sein, eine Gruppe für weniger wert zu befinden, weil sie anders denkt, anders glaubt, anders liebt oder anders lebt. Vielleicht gar, weil sie eine andere Hautfarbe hat. Sie glauben darüber bestimmen zu können, wie der Rest der Welt zu denken und zu glauben und zu fühlen hätte. Wir bauen Grenzen, damit uns diese anderen, diese Fremden im Geist und im Glauben ja nicht zu nahe kommen und uns nicht unsere eigene „Menschlichkeit“ zu Nahe vor Augen führen.
Ich glaube daran, dass jeder das Recht mit seiner Geburt erworben hat, frei im Denken zu sein, Zu lieben, zu glauben, zu leben und zu gehen wohin und wie auch immer er möchte. Mit der Einschränkung, dass er dabei immer „human“ bleiben muss und die Gleichheit der anderen nicht verletzen darf. Sobald ich einem andern die Menschlichkeit abspreche, verlier ich auch selbst das Recht, über ihn zu urteilen.
Ich will niemals bereuen müssen, mich, meine Existenz für wertvoller als die anderer Menschen genommen zu haben.
Diese, meine Ideale heißen neben Menschlichkeit, Gleichheit und Freiheit, Toleranz und Respekt vor dem Leben, dem Lebewesen, dem Mensch. Dazu kommen neben der Liebe und dem Respekt vor den andern Menschen noch die Selbstliebe und die Selbstbestimmung. Denn nehme ich dieses Leben an, sage ja zu ihm, will versuchen die mir gegebene Chance zu nützen und das beste daraus zu machen, sage ich gleichzeitig ja zu der Verantwortung, eigene Entscheidungen zu treffen. Verneine ich es allerdings, steht es mir auch frei zu gehen, wenn ich den Moment für günstig erachte. Dabei steht die Selbstliebe und der Wert des eigenen Lebens vor der Gesellschaft, denn das eigene Leben ist die einzige Freiheit die ich wirklich habe, sofern man überhaupt fähig ist diese frei und unbeeinflusst von einem Leidensdruck zu treffen.
Ich will niemals bereuen müssen, jemand anderen als mich für den Verlauf meines Lebens verantwortlich gemacht zu haben.
„Du bist nichts als das, was du lebst“ und „Man ist was man will“, hat Jean-Paul Sarte gesagt, und ich bin davon überzeugt, dass er Recht hatte. Ars Vivendi, nannten es die Philosophen der Antike, die Lebens- und letztendlich auch Überlebenskunst, samt „Bereitschaft, Fähigkeit und Willen, die eigenen Lebensumstände wahrzunehmen, zu verarbeiten und die Lebensführung im Rahmen der Möglichkeiten persönlich und gezielt zu gestalten“.
Du wirst sterben, du, du, du und ich.
Nachher wird sich die Erde weiterdrehen, in unsere leeren Augenhöhlen werden die Wurzeln von Radieschen wachsen, Unkraut wird aus unserem Hirn wuchern, oder Vergissmeinnicht. Vielleicht auch ein Bäumchen aus unserem Nasenloch.
Ich will niemals bereuen müssen, was von mir bleibt.
I have a dream …

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