Donnerstag, 5. Mai 2011

Kleine Rede über uns.


Es ist Donnerstag, 12.42, und ich habe noch keinen Text, den ich abgeben könnte. Ein Problem, angesichts der Tatsache, dass ich letzte Woche schon gestreikt habe, weil ich den Test und die Rede für bedeutungsvoller empfunden habe, als mir schnell einen Text, eine Glosse (was auch immer das ist habe ich noch immer nicht herausgefunden) aus den Fingern zu saugen.
Saugen ist eigentlich das falsche Wort, eine inkorrekte Metapher, denn ziehen tut gar nichts mehr, seit es Computer gibt.
Einen Text schlägt, drischt, tippt, hämmert, klopft man sich aus den Fingern, in die Tasten, mit jedem Anschlag stärker und manchmal völlig taktlos und unregelmäßig, weil die Gedanken langsamer sind als der Takt(an)schlag sein sollte, damit was entsteht auf dem leuchtenden Viereck.

Aber meine einschlagenden Gedanken schweifen schon wieder ab. Eigentlich wollte ich über den Donnerstag Abend vor den Ferien schreiben, als ich mich mit zitternden Knien, die mich kaum tragen wollten, trockenen Augen, dass die Linsen sich so fest auf den Augapfel klebten, bis der Text und die ganze Klasse gemeinsam schwimmen gingen, und letztendlich der eh schon bekannten Versagensangst an dieses seltsame Holzklappbrett stellte. Als ich nach 20 Minuten, 3 Litern Angstschweiß und 2 Kilometern Weg endlich ankam war ich sowieso schon viel zu spät um noch länger darüber nachzudenken was ich da eingentlich tat. Also fing ich einfach an. Den Moment, in irgendetwas das entschieden hatte, habe ich dabei verpasst.

Ich will noch ein wenig von dieser Versagensangst reden.
Denn heute habe ich endlich einmal meine Faulheit überwunden und mich ein wenig in den Textberg in meinem digitalen Briefkasten eingegraben. Man stelle sich das in etwa so vor, wie bei Dagobert und seinen Münzen, die sehen auch alle gleich aus, er kann sie nicht mehr auseinanderhalten und doch liebt er sie alle. Also habe ich versucht sie endlich alle zu würdigen, zu sortieren, zu sammeln und zu ordnen, was nicht so einfach ist, wenn jede E-Mail mit dem vielsagenden Titel „text“ bezeichnet ist.
Dabei bin ich auf so manche Schätze gestoßen. Das Antimärchen zum Beispiel, ich werde es lieben, nein, ich liebe es schon und werde ihm treu bleiben. Es erinnert mich an einen Text von mir, der eigentlich noch kein Text ist, sondern nur ein Gedanke auf einem Schmierzettel und viel mehr noch in meinem Kopf.
Er handelt von zwei Menschen, die sich voller Gier aufeinander am Ende auffressen.
Mir gefällt das. So muss eine Geschichte enden. Nicht so scheißverdammt romantisch verklärend, wie in den Märchen und Hollywoodfilmen, die uns als Kinder schon völlig falsche Vorstellungen eingeimpft haben (im wahrsten Sinne des Wortes, so wartete der Piekser meines Arztvaters gegen hinterhältige Zeckenangriffe, die bei Landkindern recht regelmäßig und üppig ausfallen, immer während die Schwanenprinzessin nebenbei über den Flimmerkasten turtelte, damit ich nicht sofort die Flucht ergriff und meinem Papa die Szene und das hinterher jagen durchs Stiegenhaus erspart wurde).
Jedenfalls habe ich mit meiner Geschichte noch nicht begonnen, aber seit ich „Ereignisse“ von dem Mann, bei dem man Vor- und Nachnamen nur schwer auseinanderhalten kann - falls er einem nicht schon in der Schule begegnet ist - gelesen, verschlungen habe, weiß ich, wie Kurzgeschichten, falls man diese Form so bezeichnet, ausschauen müssen. Sollte ich einmal etwas ähnlich grässlich morbides skurriles sarkastisch grauslig groteskes produzieren kann ich getrost sterben gehen.
So ein Blödsinn.

Aber zurück zu der Rede, den Texten. Eigentlich wollte ich ja noch etwas zur Versagensangst schreiben, über die Frau Liedauer mir ebenfalls vor etwa einer Stunde beeindruckend und doch beklemmend nahegetreten ist, im besten Sinne. Sie hat einen Punkt berührt, den wir alle kennen. Das Verlangen nach Anerkennung. Und genau wegen diesem konnte ich nicht kneifen. Ich wollte dieser Donnerstagabend-Gruppe, von der ich so viel halte und die ich fast alle für sehr viel talentierter halte als mich, zeigen, dass ich auch etwas kann. (Natürlich wollte ich es in erster Linie meinem alter ego, das gerade Bestätigung sucht, zeigen, aber das kann sich jeder selber denken.)
Dass ich diese Rede nicht so schlecht spielen kann und nicht nur die Ruhige, Schüchterne bin, die glaubt sie müsse gute Texte produzieren. In Wahrheit halte ich mich nämlich für ziemlich laut, aber bis ich laut werden kann, müssen die Luftbedingungen stimmen, die Umweltweinflüsse passen und letztlich auch die Lichtverhältnisse. Am wichtigsten aber ist, dass ich das Gefühl vermittelt bekomme, dass mich die anderen 30 Blicke nicht auffressen werden und ich ein Tiger im Käfig bin, den man mit Respekt betrachtet, und kein Äffchen mit Trommel in der Hand.

So habe ich also meine Rede hinausgebrüllt, mich aufgerichtet und gezeigt dass ich auch da bin.

Und umso besser gefiel es mir dann noch, dass dieser Übungsleiter anscheinend wirklich einen gruppendynamischen Plan verfolgt und diese Texte doch eigentlich nur Vorwand sind für die viel wichtigeren Dinge im Leben.
Für das Leben.

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